Eine WM mit bis zu acht l
Spielen pro Tag zwingt jeden Beobachter zur Selektion: Manche schauen sich nur
die Spiele „ihres" Teams an, andere Zuschauer sieht man von morgens bis abends
auf ihrem Platz sitzen: Journalisten, Scouts, die ganz harten Fans und auch so
manchen Schiedsrichter. Efim Resser, der einzige deutsche Schiedsrichter bei
dieser WM, schaute sich in Indianapolis, wenn er nicht gerade selber im RCA Dome
oder im Conseco Fieldhouse mit der Pfeife auf dem Parkett stand, bei der WM so
viele Partien an wie möglich. „Da gibt es so viel zu sehen und zu lernen. Wie
pfeifen die Südamerikaner? Wie gehen andere Referees mit kritischen Situationen
um? Wie reagieren die Spieler?", weiß der Berliner, dass man auch als erfahrener
Schiedsrichter immer noch dazulernen kann - und muss.Der gebürtige Russe mit
deutschen Vorfahren, der 1991 Deutschland zu seiner Wahlheimat machte und neben
dem Basketball als selbstständiger Versicherungsmakler arbeitet, blickt
mittlerweile auf eine fast 3O-jährige Schiedsrichterkarriere zurück und hat
dabei schon so einige schwierige Situationen gemeistert. Nie vergessen wird er
z.B. eines seiner ersten Europaligaspiele als Referee 1991 in Tel Aviv zwischen
Maccabi und Jugoplastika vor 10.000 tobenden Fans: „Dawar so viel Druck in der
Halle und es war so laut, dass man die eigenen Pfiffe nicht hören
konnte."
In Erinnerung bleibt
natürlich auch das Debüt des US-Dream Teams 1992 in Barcelona gegen Angola, das
Resser pfeifen durfte. Nach einem rüden Foul von Charles Barkley an einem
Angolaner stand der deutsche Referee im Brennpunkt: "Wenn ich fies gewesen wäre,
hätte ich ihn dafür disqualifizieren können. Aber da saßen soviele Zuschauer vor
dem Fernseher, nur um Charles Barkley zu sehen. Da habe ich es bei einem
unsportlichen Foul belassen." Das war allerdings bereits genug, um sich Barkley
zum Feind zu machen: "Immer wenn er an mir vorbei lief, raunzte er mir
irgendetwas Verächtliches zu". In einer Spielpause ging Resser dann auf Barkley
zu und fragte ihn: "Hast Du in der Schule noch irgendetwas anderes gelernt als
'fuck you?" Von da an herrschte Ruhe zwischen Barkley und
Resser.
Es gibt offenbar nicht nur
die Maßnahme des technischen Fouls, um ein Spiel in geordneten Bahnen zu halten:
„Der Schiedsrichter darf sich nicht nur auf die Regeln berufen, er muss als
Moderator und als Diplomat zwischen beiden Parteien balancieren", beschreibt
Resser seinen Job. Das dafür notwendige Fingerspitzengefühl gewinnt man nur aus
Erfahrung und aus Beobachtung: „Ein Referee muss auch das Spiel verstehen, muss
antizipieren können, wie die Spielzüge der Teams verlaufen, sonst verliert er
die Übersicht und die Kontrolle über das Spiel." Deshalb schaut sich Resser
stets möglichst viele Spiele auch als Zuschauer an.
Womöglich wird Resser seine
reiche Erfahrung aber in Zukunft gar nicht mehr einsetzen können - jedenfalls
nicht in Deutschland. Die Schiedsrichter-Kommission des DBB hat dem Berliner
nämlich im Frühjahr mitgeteilt, dass man auf seinen Einsatz für die Saison
2002/03 verzichten will. Begründet wurde das mit einer FIBA-Regel, die für
Schiedsrichter eine Altersbegrenzung von 50 fahren vorsieht.
Eine von Resser beantragte
Ausnahmegenehmigung wurde von der Schiedsrichter-Kommission unter Hinweis auf
das Beispiel von Peter George abgelehnt. George hatte vor Jahren eine solche
Ausnahmegenehmigung erhalten, hatte seine Schiedsrichtertätigkeit jedoch im
folgenden fahr wegen Knieproblemen beenden müssen. Resser verweist hingegen auf
seinen tadellosen gesundheitlichen Zustand: „Ich laufe jede Woche drei mal,
spiele Basketball und fahre am Wochenende 30 bis 40 km Fahrrad. Wenn ich bei den
medizinischen Tests durchfalle - o.k., dann höre ich sofort auf", betont Resser.
Aber solange er noch in diesem Gesundheitscheck besser abschneidet als manch
jüngerer Kollege, sieht er in dem Beschluss, Referees ab 50 nicht mehr
zuzulassen, reinen Formalismus: „Es gibt keine Altersbegrenzung für Spieler,
keine für Trainer. Wozu brauchen wir das bei Referees?" fragt Resser, der vor
einigen Monaten für die souveräne Leistung des hitzigen Halbfinal-Duells
zwischen Bonn und Köln mit Lob überhäuft wurde und nun auf einmal plötzlich für
die Bundesliga nicht mehr gut genug sein soll.
Hinzu kommt, dass die von
der FIBA vor zehn Jahren eingeführte Altersbegrenzung inzwischen in vielen
europäischen Ländern (Frankreich, Spanien, Osteuropa) außer Kraft gesetzt worden
ist und auch von FIBA-Europa selber überdacht wird. Zum einen bleiben die
Referees auf Grund verbesserter Ernährung und besseren Trainings länger fit als
früher, zum anderen benötigt man angesichts des allgemeinen Übergangs zu drei
Schiedsrichtern mehr qualifizierte Schiedsrichter als früher - und die sind
nicht nur in Deutschland Mangelware.
Auch die Euroleague hat sich
längst über die Altersbegrenzung hinweggesetzt und Efim Resser für die kommende
Saison eingeladen. Kurios: In der Europaliga und im ULEB-Cup, den beiden
europäischen Top-Wettbewerben, wird Efim Resser in der kommenden Saison als
einziger deutscher Referee neben Murat Biricik pfeifen - in der Bundesliga soll
er das nicht mehr dürfen.
In Barcelona schüttelt man
über die Deutschen insgeheim den Kopf: Da gibt es auf internationaler Ebene
ohnehin schon viel weniger Referees aus Deutschland als aus den anderen Ländern
- und dann verbieten die Deutschen ihrem besten Schiedsrichter noch das Pfeifen
im eigenen Land. Von den 48 Klubs in Euroleague und ULEB-Cup kommen vier aus
Deutschland, von den knapp hundert Referees in diesen beiden Wettbewerben stellt
Deutschland nur zwei. Nicht nur BBL-Commissioner Otto Reintjes, der übrigens wie
fast alle Bundesligisten Resser gerne weiter in der Liga haben wurde, sieht hier
erheblichen Nachholbedarf.
Dabei könnte der derzeit
einzige in Europa wirklich etablierte deutsche Referee bei den Anstrengungen,
die nächste deutsche Schiedsrichter-Generation auf europäischer Ebene
einzuführen, gute Dienste leisten. Denn natürlich läuft auf dieser Ebene nur
wenig ohne Lobbyismus - von alleine werden deutsche Referees hier nicht
eingeladen werden. Da müssen schon „Anregungen" von Seiten der Bundesliga, des
DBB oder eben von bereits etablierten Schiedsrichtern kommen: „Ich könnte da
soviel für unsere jungen Schiedsrichter machen. Aber das ist natürlich doppelt
schwer, wenn ich im eigenen Land nicht mehr pfeifen darf. Dann fassen sich die
in Barcelona doch an den Kopf, fürchtet Resser, und auch DBB-Präsident Roland
Geggus empfiehlt der Schiedsrichter-Kommission mittlerweile, den „Fall Resser"
noch einmal zu überdenken: „Als die Entscheidung getroffen wurde, war noch gar
nicht bekannt, dass Efim Resser in der kommenden Saison Europaliga pfeifen
würde. Das hat neue Voraussetzungen geschaffen."
Fazit: Indianapolis dürfte
die letzte WM für Efim Resser gewesen sein. Aber die humorvolle und souveräne
Art des Berliners könnte uns trotzdem noch etwas erhalten bleiben: In der
Europaliga auf jeden Fall - und vielleicht auch in der Bundesliga. |