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Franz-Xaver Wack im Gespräch
mit seinem Linienrichter. |
Leverkusen (dpa) - Schiedsrichter Franz-Xaver Wack hat im Spitzenspiel der
Fußball-Bundesliga zwischen Bayer 04
Leverkusen und dem VfB Stuttgart
(1:1) für jede Menge Zünd- und Diskussionsstoff gesorgt.
«Er ist eigentlich mein Lieblings-Schiedsrichter, doch hatte er einen
unglücklichen Tag», klagte Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser über die
zögerlichen und umstrittenen - aber nicht unbedingt falschen - Entscheidungen
des 44 Jahre alten Referees. «Ästhetisch hat das nicht alles schön ausgesehen»,
sagte der Zahnarzt aus Biberbach, «aber lieber langsam und richtig entscheiden
als schnell und falsch.»
Ausgangs- und Knackpunkt seiner ungewöhnlichen Spielleitung war die 14.
Minute. Nachdem Wack ein klares Halten von VfB-Profi Markus Babbel am Trikot von Bayer-Stürmer
Dimitar Berbatow nicht gesehen hatte, revidierte er die Entscheidung auf
Intervention des vierten Schiedsrichters und gab nachträglich Freistoß. «Das
zeigt, wie wichtig der vierte Mann ist. Es ist ein Augenpaar mehr», meinte Wack
nach seinem 125. Bundesligaeinsatz.
Hellmut Krug, Abteilungsleiter Schiedsrichterwesen des Deutschen
Fußball-Bundes (DFB), hält das Vorgehen für korrekt: «Ein Unparteiischer darf
eine Entscheidung bis zur nächsten Spielunterbrechung revidieren. Es spielt
keine Rolle, wie viel Zeit bis dahin vergeht.» Auch die Einbeziehung des vierten
Mannes sei wünschenswert. «Er gehört ja nicht nur dazu, um Täfelchen für die
Einwechslungen und die Nachspielzeit hochzuheben», sagte Krug in einem
dpa-Gespräch.
Genau informiert hat er sich auch über eine weitere Szene, die wie der erste
Videobeweis der Bundesliga ausgesehen hat. In der 42. Minute hatte Wack nach
einem Schuss von Jacek
Krzynowek auf das VfB-Tor zunächst auf Abstoß entschieden. Doch nachdem auf
der Videowand zu sehen war, dass Stuttgarts Torwart Timo Hildebrand den Ball
noch berührt hatte, entschied er neu auf Eckstoß. «Das war der erste
Videobeweis», meinte Holzhäuser sofort.
«Falsch», sagte dagegen Krug, der noch einmal mit Wack telefonierte: «Er hat
mir gesagt, dass er nicht anhand der Videobilder im Stadion entschieden hat,
sondern nach Intervention des Assistenten.» Dieser habe den Signalknopf an der
Fahne gedrückt, um den Referee auf seinen Fehler aufmerksam zu machen. Deshalb
basiere die Entscheidung nicht auf einem Videobeweis. «Das wäre auch nicht
erlaubt», sagte Krug, der aber Wack für sein Verhalten in dieser Szene tadelte:
«Er hat zu spontan und zu schnell entschieden.»
Richtig verärgert war aber Bayer-Chefcoach Klaus Augenthaler über den
Schiedsrichter, der in der 89. Minute den Gästen einen für ihn unberechtigten
Foulelfmeter zusprach. «Wenn man den Elfmeter gibt, muss man bei zehn Ecken zehn
Strafstöße geben», schimpfte er über die Szene, in der Bernd Schneider VfB-Stürmer Kevin Kuranyi unsanft zu
Fall brachte. Nach dem Führungstor von Berbatow (80.) nutzte Cacau den Elfmeter
zum 1:1-Ausgleich - der beiden Teams im Kampf um einen Europacup-Platz nicht
viel bringt.
«Ich weiß nicht, warum der Wack so verunsichert war. Der hat doch nicht
gewettet», meinte Augenthaler sarkastisch in Anspielung auf den Wettskandal um
Robert Hoyzer. Überhaupt hätten die Schiedsrichter vor diesem Fall bessere
Leistungen gezeigt. «Die sollen pfeifen wie vorher. Seit drei, vier Spieltagen
gibt es eklatante Fehlentscheidungen.» In ungewöhnlicher Zurückhaltung übte sich
nach dem glücklichen Remis VfB-Coach Matthias Sammer. «Dieses Spiel hat gezeigt,
die Schiris haben es sauschwer», meinte er und fügte an: «Ich bin
zufrieden.» "Dumm gelaufen"
Peter Gabor über Wacks Pfiff und die Folgen
Herr Gabor, Sie waren der Schiedsrichter-Beobachter beim Spiel Bayer
Leverkusen gegen VfB Stuttgart, das Schlagzeilen machte, weil Schiedsrichter
Wack eine Entscheidung zurücknahm, nachdem die Szene auf der Anzeigetafel
eingeblendet wurde. Haben Sie das schon mal erlebt?
Nein. Einblendungen von strittigen Szenen sind ja auch verboten.
War die Einblendung ein Versehen?
Naja, sagen wir mal so: Wenn die Szene für Stuttgart gewesen wäre, dann
hätten die das wohl nicht gemacht. Und die Einblendung kam ja auch viel
schneller als sonst, ich kann also nur Absicht vermuten. Ich habe das auch in
meinem Bericht vermerkt und in schriftlicher Form an die DFL weitergereicht. Das Kuriose war, dass es hinterher konträre Meinungen über Herrn Wack gab -
die von Fans und Medien, die ihn für die Souveränität gelobt haben, mit der er
eine Entscheidung korrigierte. Und die der eigenen Kollegen, denen es nicht
gefiel, dass da ein Schiedsrichter indirekt für den Videobeweis plädiert
hat. Dazu ist zunächst zu sagen, dass sich Herr Wack nicht wegen der Szene auf der
Tafel korrigiert hat.
Nein?
Herr Wack hat fälschlicherweise auf Abstoß statt auf Eckball entschieden, und
leider hat sich sein Assistent passiv verhalten. Erst mit Verzögerung hat er per
Funksignal angezeigt, dass die Entscheidung falsch war, und dummerweise kam
dieses Signal zeitgleich mit dem Bild oben auf der Anzeigentafel. Das ist dumm
gelaufen, für Außenstehende entstand der Eindruck: Jetzt ändert der seine
Entscheidung wegen der Videotafel.
So erzählt, klingt die Geschichte aber eher wie die offizielle Sprachregelung
der Schiedsrichter.
Ich kann dazu nur sagen, dass ich diese unglückliche Zeitabfolge auf der
Tribüne auch zur Kenntnis genommen habe. Ich habe dann hinterher mit dem
Schiedsrichter-Gespann gesprochen, und die haben mir das so erklärt.
Trotzdem klingt diese Version wie abgesprochen - damit keiner auf die Idee
kommt, Wacks Aktion als Plädoyer für den TV-Beweis zu werten.
Ich kann dazu nicht mehr sagen. Was Herr Wack mir hinterher gesagt hat, ist
für mich plausibel.
Was wäre denn so schlimm gewesen, wenn er sich tatsächlich von der Tafel
hätte umstimmen lassen?
Den Videobeweis gibt es nicht, also wäre es falsch gewesen, sich an den
Bildern zu orientieren. Das geht nicht.
Wäre es in Zeiten, da der Ruf der Schiedsrichter unter dem Wettskandal
leidet, nicht cleverer gewesen, Wack zum Helden zu stilisieren, nach dem Motto:
Seht her, wir haben die Größe, uns zu korrigieren?
Nein, wir haben ja klare Richtlinien, und wir können nicht einfach einen
Moment ausschlachten, der diesen Richtlinien zuwiderläuft. Mit dem Fall Hoyzer
und unserem Image hat das nichts zu tun.
Haben Sie den Bewertungsbogen schon abgeschickt?
Ja, und ich kann Ihnen so viel verraten: Herr Wack hat von mir eine sehr gute
Bewertung bekommen, die allerdings noch besser gewesen wäre, wenn es diese
Unebenheit nicht gegeben hätte.
Man muss also nicht davon ausgehen, dass Herr Wack erst mal für ein paar
Wochen aus dem Verkehr gezogen wird, weil er aus Versehen für den Videobeweis
plädiert hat.
Dazu gibt es keinen Grund.
Am Wochenende pfeift er also wieder.
Nein. Aber da hatte er schon länger einen Freitermin beantragt.
Gespräch: Christof Kneer |