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Anders Frisk war im vergangenen Jahr in Rom von einem
Wurfgeschoss getroffen worden. Foto:
AP
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Er werde nie wieder einen Fußballplatz betreten, sagt Anders
Frisk. Der schwedische Top-Schiedsrichter muss nach einem Champions-League-Spiel
um die Gesundheit seiner Familie bangen.
Anders
Frisk hat seine Karriere als Fußball-Schiedsrichter mit sofortiger Wirkung
beendet. Der Schwede zieht damit die Konsequenz aus Morddrohungen nach dem
Hinspiel der Champions League zwischen Chelsea London und dem FC Barcelona.
Der weltweit zu den anerkanntesten Schiedsrichter gehörende Frisk begründete
seinen Schritt in Stockholm damit, dass er sowie seine Familie in dieser Woche
erneut eine Morddrohung erhalten hätten. «Ich werde nie wieder einen
Fußballplatz betreten», sagte der 42-Jährige der Zeitung «Aftonbladed».
Tochter nicht mehr an Briefkasten gelassen «Ich habe meine Tochter aus Angst den Briefkasten nicht mehr
öffnen lassen», sagte Frisk, bei dem nach eigenen Angaben zahlreiche
Morddrohungen von Chelsea-Anhängern per Telefon, Post und Mail eingegangen sind.
Unmittelbar nach dem Spiel in Barcelona, bei dem Frisk dem Chelsea-Spieler
Didier Drogba einen umstrittene Gelb-Rote Karte zeigte, wurde ihm von Trainer
der Londoner, José Mourinho, vorgeworfen, dass er den Barcelona-Coach Frank
Riikjard während der Halbzeitpause in seiner Kabine empfangen habe.
Auch das Weiterkommen von Chelsea nach dem 4:2-Sieg im Rückspiel habe die
Bedrohungen nicht weniger werden lassen. «Es ist mit jedem Tag weiter eskaliert
und bis jetzt immer schlimmer geworden», sagte Frisk. Sprecher des schwedischen
Fußballverbandes äußerten sich kritisch gegenüber den Verantwortlichen bei
Chelsea, weil sie Spieler und Fans gegen den Schiedsrichter «aufgehetzt»
hätten.
Bereits in Rom Opfer von Gewalt Frisk war vorher beim Gruppenspiel der Champions League
zwischen AS Roma und Dynamo Kiew im letzten September beim Gang zur
Halbzeitpause von einem Münze getroffen worden und blutend zusammengebrochen.
Das Spiel wurde abgebrochen und mit 0:3 für Kiew gewertet. Drei Monate später
bewarfen ihn Zuschauer in Valencia beim Champions-League-Spiel zwischen dem FC
Valencia und Werder Bremen (0:2) mit Gegenständen.
«Ich bin Dingen ausgesetzt worden, die für mich früher unvorstellbar waren»,
sagte Frisk. «Jetzt hoffe ich, dass diese Leute damit aufhören, wenn sie wissen,
dass ich nicht mehr pfeife.»
Mourinho-Vorwürfe tun besonders weh Die Vorwürfe von Mourinho wegen seiner angeblichen Kontakte mit
Riikjard würden ihm «nach so vielen Jahren im internationalen Fußball besonders
weh» tun. «Ich bin doch so erfahren. Alle müssten eigentlich wissen, dass ich
während eines Spiels niemals einen Trainer in meine Kabine lasse.» Die gelb-rote
Karte sehe er nach wie vor als korrekt an. (nz)
Quelle: www.welt.de | 18. März 2005
Irgendwann gibt es einen Toten"
Nach dem Rücktritt des Schweden Frisk fordert der Schweizer Meier härtere
Strafen für Attacken gegen Schiedsrichter
von Christian Putsch
Berlin - Der Schweizer Urs Meier (46) gehörte nach der Leitung von 106
internationalen Spielen zu den besten Schiedsrichtern des Weltverbandes FIFA.
Bei der Europameisterschaft 2004 war er von der britischen Presse attackiert
worden, nachdem er beim Aus der Engländer gegen Portugal einen durchaus
vertretbaren Elfmeter für Portugal gepfiffen hatte. Meier fordert im Gespräch
mit WELT-Mitarbeiter Christian Putsch harte Strafen für unsachliche
Schiedsrichterschelte.
DIE WELT: Herr Meier, haben Sie schon Kontakt
zu Anders Frisk aufgenommen?
Urs Meier: Ich habe zwei E-Mails an ihn geschrieben.
Geantwortet hat er noch nicht. Ich nehme an, daß auch über ihm eine Riesenwelle
zusammengebrochen ist. Vor gut einem halben Jahr hat es mich ähnlich
durchgeschüttelt, da war ich kaum ich selbst. Da hatte ich auch andere Probleme,
als E-Mails zu beantworten.
DIE WELT: Sie mußten eine Woche lang
untertauchen und standen unter Polizeischutz. Im Gegensatz zum Schweden Frisk
haben Sie ihre Karriere fortgesetzt. Warum?
Meier: Eigentlich wollte ich nach der EM
zurücktreten, Ende 2004 wäre sowieso der Altersvorhang der FIFA für mich
gefallen. Doch nach der Medienkampagne des englischen Boulevards habe ich
gesagt, nein, den Gefallen tue ich euch nicht, und habe ein halbes Jahr
drangehängt. Ich habe dann noch wunderschöne Spiele wie Deutschland gegen
Brasilien oder Barcelona gegen AC Mailand geleitet.
DIE WELT: Anders Frisk ist nach dem
Champions-League-Spiel zwischen Barcelona und Chelsea London dagegen
zurückgetreten ...
Meier: Er hat das richtige Zeichen gesetzt. Sein Fall
hat eine andere Qualität. Chelsea-Trainer José Mourinho hat nach dem Hinspiel im
Champions-League-Achtelfinale zwischen Barcelona und London Gerüchte über
parteiisches Verhalten von Frisk (er deutete an, Frisk habe mit Frank
Rijkaard, Barcelonas Trainer, Absprachen getroffen - d.R.) gestreut und die
englischen Fans damit gegen ihn aufgehetzt. Diese Kampagne wurde nicht von den
Medien, sondern von einem Trainer initiiert. Wir leben gern damit, daß immer
wieder Kritik an roten Karten oder Elfmetern aufkommt. Wenn man den
Schiedsrichter aber öffentlich derart bloßstellt, versucht man den
Schiedsrichter schwach und manipulierbar zu machen - in diesem Fall auch mit
Blick auf das Rückspiel.
DIE WELT: Wie ist das zu verhindern?
Meier: Schauen Sie sich Interviews in Italien an. Da
beißen sich Spieler und Trainer lieber auf die Zunge, als daß sie den
Schiedsrichter öffentlich kritisieren. Denn das kann bis zu 60 000 Euro Strafe
kosten. Es geht nur über harte Strafen. Bei derartigen Angriffen gegen
Schiedsrichter müssen die Verbände Trainer oder Spieler auch für ein paar
Partien sperren. Alle Beteiligten, auch die Medien, müssen sich ihrer
Verantwortung bewußt sein, schließlich leiden auch die Schiedsrichter in den
unteren Ligen unter zunehmender Gewalt. Bisher ist es im Spitzenbereich nur bei
Morddrohungen geblieben, bei Frisk übrigens - anders als bei mir - gegen die
gesamte Familie. Irgendwann gibt es einen Toten. Dann stehen die gleichen
Personen da und fragen: Wie konnte das passieren?
DIE WELT: Ist das ein englisches Phänomen?
Meier: Derartige Medienaktionen kann ich mir in
Deutschland nicht vorstellen. Die englische Presse ist schon außerordentlich
aggressiv. Sie hat nach dem Länderspiel meine E-Mail-Adresse veröffentlicht,
woraufhin bis zum nächsten morgen 19 000 E-Mails kamen. Sie haben aufgerufen,
Kuckucksuhren zu verbrennen und keine Schweizer Schokolade mehr zu kaufen.
Einmal haben Reporter das Nachbargrundstück gar mit einer 50 Mal 40 Meter großen
englischen Fahne bedeckt - so hat man im Zweiten Weltkrieg übrigens
Angriffsziele markiert.
DIE WELT: Sie haben einen Sohn und eine
Tochter. Sollen die Schiedsrichter werden?
Meier: Das ist eine der besten Lebensschulen
überhaupt. Mein Sohn ist 14 Jahre alt und hat gerade den ersten Kurs belegt.
Artikel erschienen am Fr, 18. März 2005
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